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Bruneck, 31.1.2003 Verkehr im Pustertal - Droht der Supergau?
Hans Guggenberger Ausbau der Pustertaler Straße - für wen?

Werte Zuhörer, haben Sie gewusst,

Verehrte Zuhörer, ein paar Zahlen, die zu denken geben sollten – wir werden später noch mehr darüber hören. Verkehr ist zu einem „gefährlichen Spiel für unsere Gesundheit“ geworden (wie es der österreichische Ärztekammerpräsident formulierte); es liegt auch in unserer Verantwortung, diesen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren und ihn nicht durch Bereitstellen neuer Straßen noch weiter ansteigen zu lassen.

Die Diskussion um den Ausbau der Pustertaler Straße zeigt auch eindrucksvoll, dass ein Ausbau nicht dem Wohl der ansässigen Bevölkerung dient, sondern dem internationalen Kapital und der Betonlobby.

Lassen Sie mich kurz einen Blick auf die Entwicklung im Pustertal zurückwerfen:

Bereits im fernen Jahr 1959, nach erfolgtem Spatenstich zur Brennerautobahn, wurde von Rednern eine zweite leistungsfähige Nord-Süd-Transitroute zwischen den großen Wirtschafträumen Italiens und Deutschlands gefordert. Das war sozusagen die Geburtsstunde der Alemagna-Autobahn , benannt nach der bestehenden Straße Toblach – Cortina, und die Diskussion (zunächst nur über die Trassenführung und erst später über die Auswirkungen des Straßenbaus auf Wirtschaft, Umwelt und Lebensraum) nahm ihren Lauf. Die Verkehrspolitik propagierte den Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ und setzte damit auf die Straße als (fast) einzige Mobilitätsstruktur.

Es war aber damals schon klar: Es geht um die Verbindung der großen Industriegebiete zwischen Norditalien und Deutschland – nicht um das Pustertal und die dort lebende Bevölkerung.

Nach langem Hick-Hack wurde die Alemagna-Autobahn 1975 aufgrund des sich immer stärker regenden Widerstandes der Gemeinden und vor allem auch aus Nordtirol das erste Mal für richtig tot erklärt.

Dafür wurde die Pustertaler Straße als E66 in das Abkommen über Europäische Hauptstraßen (AGR) eingetragen und bekam damit überregionale Bedeutung. Das Pustertal benötige, wenn schon keine Autobahn, so doch eine Schnellstraße - war die weise Erkenntnis. In die Bauleitpläne der Pustertaler Gemeinden wurde hastig ein durchgehender Strich eingetragen, der die Bereitschaft zur Annahme des „großen Geschenks“ signalisierte (in einigen Gemeinden ist dieser Strich bis heute noch nicht gestrichen worden). Und wieder ging es nicht um das Pustertal als Lebens- und Wirtschaftraum, sondern um eine leistungsfähige Verbindung der genannten Transitrouten.

Nun begann der eigentliche Kampf gegen den befürchteten Transitverkehr; es formierte sich Widerstand in Form von Bürgerinitiativen. Aus dem Arbeitskreis „Vernunft im Straßenbau“ entstand 1980 die Argenup, die Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz, die sich intensiv mit der Problematik beschäftigte; und parallel dazu arbeitet die Cipra intensiv an der Vorbereitung der Alpenkonvention.

1986 dann die Toblacher Gespräche zum Thema „Verkehr und Mobilität“ und in Anschluss daran erarbeitete der Wiener Verkehrsexperte Prof. Knoflacher im Auftrag der Argenup eine Studie für das obere Pustertal (vielleicht ist die Post nach Bozen nicht angekommen, denn bis heute haben wir von der LR noch keine Antwort darauf bekommen); dazu folgten Informationsveranstaltungen in Bruneck, Mühlbach, Welsberg, Niederdorf, Olang.

Immer häufiger wurde dann wieder die totgesagte Alemagna ins Spiel gebracht und das Nachdenken über große Verbindungsstraßen hat dann in der Großkundgebung gegen die Alemagna am 22. Mai 1993 in Toblach einen weiteren Höhepunkt erfahren. Trotz lautstarker Beteuerungen der Landeshauptleute aus Süd- und Nordtirol hat man uns die Sorge um die Verbauung des Tales aber nicht genommen, sondern im Gegenteil sie erst richtig entstehen lassen, denn die eigentliche Gefahr für das Pustertal war der Bau einer Schnellstraße – und Antworten darauf haben die Politiker vermieden. Waren bisher Ausbaupläne fremdbestimmt und mit dem Erfolgsrezept des Zusammenhaltens relativ leicht abzuwenden, so sah man sich jetzt den Betreibern im eigenen Lande gegenüber [1] , denn im Schatten des Alemagna-Gespenstes bastelte man an den großen Umfahrungsstraßen als Teilstrecken einer überregionalen Fernverbindungsstraße.

Der letzte Vorstoß für eine Neutrassierung durch das untere Pustertal (Pircher & Co) ist wohl auch nicht aus Liebe zu diesem Land und aus Achtung vor den dort lebenden Menschen gemacht worden; er zeigte noch einmal deutlich, dass man nicht den Ausbau der Straße auf einen zumutbaren Standard will, sondern eben eine Schnellstraße. Er hat aber eines bewirkt: die Entstehung einer neuen, breit gestreuten Bürgerinitiative, der Plattform Pro Pustertal, deren Position zur Verkehrsproblematik ich zum Schluss darlegen möchte.

In diesem Zusammenhang ein interessantes Detail: Im Zuge der Trassenführungsdiskussion der Alemagna-Autobahn warb das Straßenbauerpaar Kauer/Winkler mit einer Variante durch das Sextner Tal, die sie angeblich ohne Auftrag und (man höre!) auf eigene Kosten erstellt hatten – und der europäische Einigungsgedanke wurde damals, 1970, auch schon bemüht (ein Schelm, wer eine Parallele im aktuellen Vorstoß entdeckt!)

Schlimm an der ganzen Sache ist das Versäumnis der Politik, Visionen aufzugreifen, sich steuernd einzuschalten und auf Nachhaltigkeit zu setzen. Was wir aber noch schlimmer finden, ist, wenn Planer zu Auftraggebern, Baufirmen zu Entscheidungsträgern und die Politiker nur mehr zu Geldbeschaffern werden.

Zurück zur Frage, wem der Ausbau der Pustertaler Straße nützt:

Wem nützt also der Ausbau der Pustertaler Straße? Verehrte Zuhörer, geben Sie sich nun selbst eine Antwort!

Es muss aber Schluss sein mit dem Vorschieben von Interessen „bedürftiger“ Menschen! Die für Straßenbau vorhandenen Gelder sind in Alternativprojekte zu investieren, die der regionalen Wirtschaft zugute kommen: in die Verbesserung der Bahn, der Telekommunikation, der Ausbildung, usw. Die Auswirkungen des Straßenbaus müssen systematisch hinsichtlich ihrer ökonomischen und ökologischen Auswirkungen untersucht werden und die entsprechenden Resultate müssen in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Verehrte Damen und Herren, setzen Sie sich mit uns dafür ein, unseren Lebensraum mit seinem Erholungswert und unseren Wirtschaftraum in seiner noch nicht vollständig globalisierten Form zu erhalten! Unsere Landschaft hat nämlich einen zu großen Wert, um alles kurzfristigen Vorteilen zu opfern.


[1] Das war doppelt schwer, weil zum einen solche Megaprojekte immer eine bestimmte Faszination auf die Machthabenden ausüben und zum anderen, weil in all den Jahren, keinerlei Alternativen umgesetzt wurden, die wir vehement gefordert hatten: einen ordentlichen öffentlichen Personenbeförderungsdienst, eine starke Einbindung der Bahn als Rückgrat im gesamten Transportsystem, die rasche Realisierung jener Ortsumfahrungen, wo die Bevölkerung besonders am Durchzugsverkehr litt, einschränkende Maßnahmen gegen den zunehmenden Durchzugsverkehr, usw.

[2] Dass trotzdem gebaut oder zweifelhaften Projekten zugestimmt wird, begründet das Institut mit dem “Prinzip der Nutzenmaximierung“, was so viel heißt, dass alles getan wird, um wieder gewählt zu werden. Im Volksmund heißt es „Gibst du mir die Wurst, so lösch ich dir den Durst“

[3] LR Di Puppo räumt im neuesten Infomob 2002 ein, dass die politische Antwort auf die neu entstandenen Verkehrsflüsse nicht angemessen waren, insofern dass das Angebot an Straßen eine Zunahme des motorisierten Individualverkehrs zur Folge hatte. Und Di Puppo sagt wörtlich: „Das zu geringe Wissen um das, was sich gerade abspielt, hat sehr oft zu falschen Bewertungen geführt und zu Maßnahmen, mit denen man die Probleme verschärft, anstatt sie zu lösen“.

Von der Brennerautobahn zur Pustertalschnellstraße Aktuelles / Termine