Wer die Straßen im Puster- und Drautal ausbaut, baut für die Alemagna Aktuelles / Termine
Offener Brief an Bundeskanzler Schüssel, 23.11.2002 ARGE STOP TRANSIT
Zugeinstellungen überall in Österreich: sieht so Ihre Modernisierung der Bahn aus ?

Herrn Bundeskanzler
Dr. Wolfgang Schüssel

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler !

Sie haben sich in der Konfrontation der 4 Spitzenkandidaten vor der Nationalratswahl für die Modernisierung der Bahn ausgesprochen.

Wenn diese so aussieht, wie sie derzeit überall im Land im Gange ist, nämlich dass Zugverbindung um Zugverbindung, vor allem im ländlichen Raum, aber auch auf Hauptstrecken (siehe Bericht über Tauernstrecke in der Kleinen Zeitung) eingestellt wird, dann muss man nur die ärgsten Befürchtungen hinsichtlich Ihrer Bahn-Modernisierung haben. Es hilft betroffenen Bevölkerung nichts, wenn irgendwo anders angeblich im Rahmen des Generalverkehrsplanes irgendwann einmal Bahnen modernisiert bzw. ausgebaut werden, wenn andererseits die Bahn vor der Haustür eingestellt wird oder Zug um Zug reduziert wird.

Auf einen Protest unsererseits gegen Zugseinstellungen und massive Preisanstiege bei der Bahn beim Verkehrsministerium, ließ uns Ex-Verkehrsministerin Frau Forstinger mitteilen, dass sie nicht zuständig sei, sondern die ÖBB-Führung. Es ist zu billig, wenn sich die Politik auf die ÖBB herausredet, aber für die gesetzlichen Rahmenbedingungen verantwortlich ist, unter denen die ÖBB-Führung agieren muss. Sie hätten mit Ihrer Mehrheit im Parlament schon längst das Gesetz ändern können, das die Bahn zur privatwirtschaftlichen Führung zwingt. Dieses Gesetz wurde von Ihnen noch zu Zeiten der großen Koalition mitbeschlossen und bedeutet den Todesstoß für viele Nebenbahnen, aber auch für viele Nahverkehrsverbindungen auf Hauptstrecken, nicht zuletzt aber auch für viele direkte Zugsverbindungen auf der Strecke Lienz - Innsbruck (Reduzierung von ursprünglich fünf auf zwei ab Mitte Dezember dieses Jahres). Ist Ihnen bewusst, dass viele Schüler, Studenten, Militärangehörige, Pendler diese Zugverbindungen brauchen, die nicht ohne weiteres auf ein Auto ausweichen können (und auch nicht sollen) ? Ist Ihnen bewusst, dass zahlreiche ältere Leute diese Zugverbindungen brauchen, um zur Untersuchung in die Klinik nach Innsbruck zu kommen, um die für ihre Gesundheit unverzichtbaren Untersuchungen und Eingriffe durchführen lassen zu können, alte Leute, die sich schwer tun, Züge zu benützen, bei denen sie mehrmals umsteigen müssen (mit entsprechend verlängerter Fahrzeit)?

Wenn man die Züge einstellt, dann zwingt man die Leute ins Auto, was wiederum sowohl den Zielsetzungen der Alpenkonvention, der Zielsetzung des Kyoto-Protokolls und allgemein dem Grundsatz des umfassenden Umweltschutzes in der österreichischen Verfassung aber auch umweltmäßigen Grundsätzen der EU-Verträge (z.B. dem Vorsorgeprinzip) diametral widerspricht. Zugeinstellung heißt aber auch Verringerung der Lebensqualität im ländlichen Raum, leistet der weiteren Entleerung des ländlichen Raumes Vorschub und verringert - so wie auch die zunehmende Auflassung von Verlade- und Entladebahnhöfen die Standortqualität dieses ohnehin wirtschaftlich benachteiligten Raumes.

Man hört in Reden von Politikern auch Ihrer Partei immer wieder die beschwörende Formel von Notwendigkeit der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, doch angesichts der Fakten kommt man zum Schluss, dass im Gegenteil de facto der Verkehr zunehmend von der Schiene auf die Straße verlagert wird, dass sogar die ÖBB Produkte zunehmend auf der Straße - auch über große Strecken, z.B. von Fürnitz/Kärnten bis Lienz - statt auf der Bahn transportiert.

Während also umweltfreundliche Verkehrsmittel in Österreich unter dem Motto des Sparzwanges immer mehr abgebaut werden, gibt es offenbar keine Finanzierungs-Probleme, Straßeninfrastrukturen - wie sie z.B. im Oberen Drautal im Gange sind - überdimensioniert und transitfördernd entsprechend den Normen für Europastraßen auszubauen (62 Millionen Schilling Euro zusätzlich für den transitgerechten Ausbau der Drautalbundesstraße obwohl Österreich das AGR-Abkommen nicht ratifiziert hat) oder 103 Millionen Euro für den überdimensionierten Ausbau der Plöckenpassstraße hinzublättern oder massive Mehrkosten bei Straßenbau-Projekten abzudecken (Umfahrung Abfaltersbach: präliminiert 90 Millionen Schilling, tatsächlich 155 Millionen Schilling).

Herr Bundeskanzler, Sie merken, dass wir mit Ihrer derzeitigen und vergangenen Verkehrspolitik überhaupt nicht zufrieden sind, und ersuchen Sie eindringlich, falls Sie der nächsten Bundesregierung wieder angehören sollten, um die Ausmerzung der oben zitierten Mängel in der Verkehrspolitik. Wir schließen uns auch der Kritik des Transitforums Austria-Tirol hinsichtlich der allgemeinen Transitpolitik vollinhaltlich an und ersuchen Sie, auch die dort aufgeführten Mängel, auch im Hinblick auf die drohende Transitlawine durch die Osterweiterung der EU, dringendst zu beheben (Beibehaltung der mengenmäßigen Beschränkung der Transitfahrten durch Österreich - 108 %-Klausel des derzeitigen Transitvertrages ist unerlässlich - diese muss vor der Osterweiterung rechtlich einwandfrei fixiert sein).

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitsgemeinschaft Stop Transit Bereich Kärnten, Ost- und Südtirol

arge-stop-transit@aon.at Aktuelles / Termine