Reduzierung der Züge Lienz-Innsbruck widerspricht dem Verkehrsdienstevertrag Aktuelles/Termine
Offener Brief an ÖVP-Bundeskanzler Schüssel 22.1.2003
Brennerbasistunnel - Aktueller Stand der Planungen

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel!

Am 21. Jänner 2003 kam es im Europaparlament zu einer Abstimmung über den "Caveri-Bericht", den manche Medien als schwere Schlappe für Österreich oder als Kniefall vor der Transit-Lobby interpretierten. Am 21. Jänner 2003 gab es aber auch in Österreich selbst ein in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenes Ereignis, das ich für weitaus bedeutender halte, steht es doch auch in engem Zusammenhang mit dem Transitproblem: Herr Dipl.-Ing. Johann Herdina, technischer Projektkoordinator der "Brenner Basistunnel Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung" - kurz BBT genannt - sprach in Innsbruck im großen Hörsaal der Baufakultät vor zahlreich erschienenem Auditorium zum Thema "Brennerbasistunnel - Aktueller Stand der Planungen". Mitglieder der BBT sind in Österreich die BEG Brenner Eisenbahn GmbH (50%) und in Italien die FS Ferrovie dello Stato S.p.A. (50%).

Nachdem die Österreichischen Verhandlungen mit der EU zur Verlängerung des Transitvertrages bisher erfolglos verlaufen sind, erlaube ich mir, Ihnen einige mir wesentlich erscheinenden Aussagen der BBT zur Kenntnis zu bringen, und zwar vor allem deshalb, damit sich unsere VerhandlerInnen in Brüssel nicht selbst in eine weitere Schlappe hineinmanövrieren, indem der Brennerbasistunnel mit ins "Spiel" gebracht wird.

Herr Dipl.-Ing. Herdina sagte nämlich klar und deutlich, dass der fertiggestellte Brennerbasistunnel den LKW-Transit durch Tirol nicht auf ein Maß reduzieren könne, das unter dem Niveau von heute liege. Im Klartext heißt das, dass der 56 Kilometer lange Eisenbahntunnel durch den Brenner, dessen Errichtungskosten von der BBT auf ca. 4,5 Milliarden Euro geschätzt werden (in diesem Betrag sind die Kosten für die Zulaufstrecken nicht enthalten!), die derzeit bestehenden Verhältnisse auf der Straße fortschreiben würde. In diesem Zusammenhang war interessant zu hören, dass die BBT davon ausgehe, dass aufgrund des Ausbaues der Häfen in Italien, hinkünftig 20% des gesamten Asienverkehrs über den Alpenhauptkamm laufen werde. Das ist ein wesentlicher Grund für die uns laut BBT ins Haus stehenden exorbitant anwachsenden Güterverkehrsströme.

Im Vortrag wurde auch noch darauf verwiesen, dass die Errichtungskosten von 4,5 Milliarden Euro eventuell überschritten werden könnten, weil der Brennerbasistunnel teilweise durch geologisch schwieriges Gebiet geführt werden müsse. Als Beispiel wurde Mauls in Südtirol genannt. Dort stößt die afrikanische Kontinentalplatte in die europäische hinein. Herr Dipl.-Ing. Herdina verwies dabei darauf, dass er bei öffentlichen Vorträgen gern darauf hinweise, dass aufgrund dieser Fakten die mit 220 km/h dahinbrausenden Reisezüge von Innsbruck aus nach relativ kurzer Fahrzeit sogar Afrika erreichen.

Beim Vortrag wurde auch noch festgehalten, dass sich der Tunnel betriebswirtschaftlich nicht rechnen werde. Daher seien volkswirtschaftliche Aspekte miteinzubeziehen.

So weit einige Fakten, die ich mir nun ein wenig zu kommentieren erlaube: In Tirol haben wir Bahnlinien, auf denen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2002 Zugverbindungen gestrichen wurden, weil sie sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen. So etwa auf der Strecke von Innsbruck nach Lienz . Niemand spricht hier von einer Berücksichtigung volkswirtschaftlicher Aspekte. In Tirol gibt es weiters eine Bahnstrecke von Innsbruck ins Außerfern, auf der von Jahr zu Jahr mehr Langsamfahrstellen eingerichtet werden, weil der Bund sich weigert, Geld zur Verfügung zu stellen, um diese Bahnstrecke attraktiver zu machen. Denn schließlich rechnet sich die Strecke betriebswirtschaftlich ja nicht. In Innsbruck sollte in naher Zukunft die Straßenbahn ausgebaut werden. Nun ist dieses Projekt gefährdet, weil der Bund die nötigen Finanzmittel nicht locker machen will. Auch in diesem Zusammenhang ist keine Rede von volkswirtschaftlichem Denken. Angesichts dieser Fakten darf mit Recht die Frage gestellt werden, wie Ausgaben in der Höhe von 4,5 Milliarden Euro, die zu einem Teil wohl auch die Österreichischen SteuerzahlerInnen aufbringen werden müssen, zu rechtfertigen sind. Auf der Straße wird sich ja laut BBT beim LKW-Verkehr im Vergleich zu heute nichts ändern. Was sich meiner bescheidenen Einschätzung nach allerdings ändern wird, das ist die Haupteinnahmequelle Tirols: der Tourismus. Diese Quelle wird wohl aufgrund des weiterbestehenden Transitverkehrs auf der Straße mit dem Versiegen zu kämpfen haben. Oder besteht der zukünftige Tiroltourismus darin, dass die früheren Tirolurlauber auf Ihrer Reise nach Asien - um auf den bereits angesprochenen Asienverkehr zurückzukommen - unterirdisch durch Tirol brausen und dabei aus Ihrem Zugfenster in den Tunnel starren, um nur ja nicht jenen Augenblick zu verpassen, der sie mit Hochgeschwindigkeit in die afrikanische Kontinentalplatte hineinrasen lässt?

Nun die Quintessenz dieser meiner Ausführung ist diese: Der LKW-Transit durch Österreich wird nur dann in den Griff zu bekommen sein, wenn Sie umgehend und ohne weiteres Zaudern jenes uns im Protokoll 9 des Beitrittvertrages von 15 EU-Staaten für Ende 2003 verbriefte Recht auf eine 60%-ige, dauerhafte Reduktion der Stickoxide auf Punkt und Beistrich umsetzen lassen. Dazu müssen nicht 4,5 Milliarden Euro ausgegeben werden. Nein, dieses Ziel gibt es viel billiger! Sie müssen nur den Mut haben, zusätzlich die Verlängerung der sogenannten 108%-Klausel für die weitere Zukunft durchzusetzen, die garantiert, dass der LKW-Transit durch Österreich nach oben mengenmäßig beschränkt wird. Wie man das erreichen kann? Eine mögliche Lösung wurde schon lange vom Transitforum Austria vorgeschlagen: Österreich bezahlt keinen "Mitgliedsbeitrag" mehr an die EU. Denn die Sprache des Geldes wird mit Sicherheit auch in Brüssel verstanden.

In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

MMag. Martin Teißl
Tiroler Landessprecher von Fahrgast Österreich und Mitarbeiter bei Fahrgast - Pro Bahn Allgäu/Tirol
Internet: www.fahrgast.at

Besuchen Sie auch www.erlebnisbahn.at/ausserfernbahn und www.probahn.de/ausserfernbahn Aktuelles/Termine