Transitforum Austria-Tirol Aktuelles / Termine

Hintergrundinformation zur Ökopunktereduktion im Jahr 2002

Einleitung.
Das am 2. Mai 1992 abgeschlossene Transitabkommen der Republik Österreich mit den Europäischen Gemeinschaften ist am 1. Jänner 1993 in Kraft und am 31. Dezember 1994 außer Kraft getreten – d. h., den „Transitvertrag“, wie er heute immer noch kolportiert wird, gibt es nachweislich seit über 8 (!) Jahren nicht mehr (vgl. dazu: www.transitforum.at/Fakten - Vergleich Transitvertrag-Beitrittsvertrag). Auch die immer wieder geäußerte Frage nach dem „neuen Transitvertrag“ ist eine dümmliche Frage – oder soll Österreich als Vollmitglied mit sich selbst einen Vertrag abschließen?

Im Zuge der Endverhandlungen zum Beitritt der Republik Österreich zu den Europäischen Gemeinschaften wurde der ehemalige „Transitvertrag“ in allen (!) wesentlichen Inhalten zum Nachteil der Republik Österreich dramatisch verändert (Schlussverhandlung am 1. März 1994 – Viktor Klima wurde abgeräumt „wie ein Christbaum am Dreikönigstag“) und im Beitrittsvertrag wurde als Transitregelung das Protokoll Nr. 9 aufgenommen.

Die Zielsetzung ist gleich geblieben: „ Die dauerhafte und nachhaltige Reduktion der N0x-Emissionen um – 60 % im Zeitraum 1991 bis 1993 aus dem Lkw-Transit durch das Staatsgebiet der Republik Österreich“. Zum Erreichen dieses Ziels wurden zwei wesentliche Säulen in das Protokoll Nr. 9 eingebaut:

In der Ökopunkteverordnung sind die Maßnahmen zur Überwachung des Funktionierens der Ökopunktereduktion geregelt, die zur Zielsetzung führen sollen. Dazu wurde auch der Ökopunkteausschuss eingerichtet (Vorsitz seit 1.1.1995: EU-Kommission, Teilnehmer: alle Mitgliedsstaaten).

Die nackten Zahlen.
Als Basisjahr wird sowohl im außer Kraft getretenen Transitvertrag als auch in dem nun seit 1.1.1995 geltenden Protokoll Nr. 9 das Jahr 1991 angegeben.

Die Berechnung der Lkw-Transitfahrten durch Österreich.
Im Jahr 1991 wurden tatsächlich rund 1,06 Millionen Lkw-Transitfahrten durch Österreich geleistet. Dessen ungeachtet stehen im gültigen Protokoll Nr. 9 als „Basisfahrten für 1991“ 1.490.900 Lkw-Transitfahrten – d. h., die Verhandler haben sich seinerzeit einen „Polster“ von rund 400.000 Lkw-Transitfahrten in den Vertrag geschrieben (bestätigt durch Gutachten des BMVIT und Land Tirol).

Mit der zusätzlichen „Toleranz“ von 8 % hat man sich noch weitere 120.000 Lkw-Transitfahrten erschlichen.

Tatsächliche Fahrten 1991

1.060.000

Festgelegte Fahrten für 1991

1.490.900

Toleranz + 8% (Schutzklausel)

119.272

Gesamt mögliche Lkw-Transitfahrten

1.610.172

Überschreitung vom Basisjahr

+ 550.172 Fahrten

+ 51,91 %

Durch diesen „hohen erschlichenen Polster“ von rund 500.000 Lkw-Transitfahrten konnte die mengenmäßige Begrenzung der Lkw-Transitfahrten in den Jahren bis 1998 nicht greifen; im Jahr 1999 wurden dann 1,706.436 Lkw-Transitfahrten durch Österreich registriert. Und damit erstmals die mögliche Fahrtenanzahl von 1,610.172 deutlich um knapp 100.000 Lkw-Transitfahrten überschritten. Ebenso wurde diese mögliche Fahrtenanzahl in den Jahren 2000 (1,696.754) und 2001 (1,640.416) überschritten.

Wichtig: Seit 1.1.1993 werden den Mitgliedstaaten die Ökopunktestatistiken quartalsmäßig sowie als Jahresrechnung übermittelt. In keinem einzigen Vertragsjahr hat es Beanstandungen gegeben; es war nie die Rede davon, dass die erhobenen Daten „falsch wären“.

Zu den Klagen:
Im Jahr 2000 hätte die Kommission erstmals die Ökopunkte wegen der Überschreitung im Jahr 1999 reduzieren müssen – sie hat es nicht getan, sondern die Reduktion vertragswidrig und willkürlich auf die Folgejahre aufgeteilt. Im Zuge der Klage der Republik Österreich hat am 23.02.2001 der Generalanwalt festgestellt, dass

  1. der Republik Österreich durch die Überschreitung der mengenmäßigen Begrenzung „unumkehrbarer Schaden zugefügt wurde“ und
  2. die Aufteilung der Reduktion der Ökopunkte auf mehrere Jahre unzulässig sei; sie ist damit der vertragskonformen Argumentation der Republik Österreich gefolgt (ebenso unserer; denn wir waren es, die vehement die Reduktion von der Kommission und dann auch die Klage von der Republik gefordert hatten).

Damals wurde die Ökopunktestatistik von der Kommission nicht in Zweifel gezogen.

Im Jahr 2001 hat die Kommission ihre „Strategie“ geändert. Sie hat zwar von Beginn an (vermutlich wegen des Spruchs des Generalanwaltes vom 23.02.2001) rund 1 Million Ökopunkte einbehalten; hat aber plötzlich behauptet, dass die Ökopunktestatistik „nicht stimme“. Dazu ist allerdings zweierlei festzuhalten:

  1. die Statistik wird seit 1.1.1993 erstellt und hat es nie Beanstandungen gegeben und
  2. seit 1.1.1995 führt die Kommission den Vorsitz im Ökopunkteausschuss und hätte es jederzeit in der Hand gehabt, die Vorgaben nach Ermittlung der Lkw-Transitfahrten zu ändern.

Die Argumentation, dass die „österreichischen Zahlen“ nicht stimmen, stellt also eine schwerwiegende Diskreditierung der Republik Österreich dar. Denn Faktum ist, dass es sich um eine Statistik handelt, die nach den Kommissions-Vorgaben der Ökopunkteverordnung erstellt wird. Wenn also die Datenerfassung tatsächlich nicht stimmen sollte, kritisiert die Kommission ihre eigene Statistik und ihre eigenen Zahlen. Diese Argumentation wird auch im Jahr 2002 fortgesetzt und lässt daher folgenden Schluss zu: Solange die Republik Österreich durch die politisch „erschlichenen hohen Basiszahlen 1991“ immer mehr Lkw-Transit schlucken musste, war alles in Ordnung. Erst als die Kommission im Jahr 2000 erstmals die Ökopunkte wegen der Überschreitung im Jahr 1999 zu reduzieren gehabt hätte, war nichts mehr in Ordnung. Wir lernen daraus:

Wenn die „Hüter der Verträge“ in einem Mitgliedstaat „Missstände“ orten, dann setzt die Klagsmaschinerie ein (vgl. die Klage gegen die Republik Österreich wegen der Brennermaut).

Wenn die „Hüter der Verträge“ allerdings selbst einen Vertrag einzuhalten haben, dann wollen sie von Vertragstreue nichts mehr wissen und schrecken nicht einmal davor zurück, den Grundsatz Pacta sunt servanda zu brechen.

Dieses Verhalten darf von der Österreichischen Bundesregierung nicht hingenommen werden. Es geht nicht an, als Netto-Zahler Jahr für Jahr Milliarden in EU-Töpfe einzuzahlen und sich auf der anderen Seite dafür bestehende Rechte wegnehmen zu lassen.

In dieser Auseinandersetzung – und an das muss mit aller Deutlichkeit erinnert werden – geht es nicht um „Sonderwünsche der Republik Österreich“. In dieser Auseinandersetzung geht es darum, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen aus Protokoll Nr. 9 (Beitrittsvertrag) nicht erfüllen und die Kommission als „Hüterin der Verträge“ diesem unerträglichen Verhalten durch Untätigkeit Vorschub leistet.

Es mag Zufall sein, dass der österr. Generaldirektor Günther Hanreich genau zu dem Zeitpunkt durch den bundesdeutschen Heinz Hilbrecht ersetzt wurde, als erstmals die mengenmäßige Begrenzung gegriffen hat und die Kommission tätig werden hätte sollen.

Dass Heinz Hilbrecht nur deshalb Generaldirektor für Landverkehr wurde, weil er sich klar auf die Seite derer gestellt hat, die „für freie Lkw-Transitfahrt“ durch vertragswidriges Verhalten gesetzt haben, halten wir ebenso für ein „böses Gerücht“ wie das Gerede, dass bei seiner Bewerbung die Stimmen der Deutschen ausschlaggebend waren, die für sein Verhalten „Dankbarkeit“ gezeigt haben. So etwas würden uns die „lieben Nachbarn“ doch nicht wirklich antun, meine ich in jahrelanger Kenntnis dieser lieben Freunde.

Die Position des Transitforum Austria-Tirol bleibt wie mit BM Ing. Mathias Reichhold, VP-Obmann Herwig van Staa, FP-Obmann Willi Tilg, Grünen-Obmann Georg Willi und SP-Verkehrssprecher Gerhard Mimm am 28.02.2002 in Innsbruck vereinbart:

Sollte die Kommission die Reduktion der Ökopunkte im Jahr 2002 nicht durchführen, werden alle Rechtsmittel ausgeschöpft: Klage wegen Vertragsverletzung, Einstweilige Verfügung mit raschem Rechtschutz, Schadenersatzklage etc..

Wir lassen derzeit prüfen, ob wir gegen Direktor Heinz Hilbrecht mit einer Amthaftungsklage vorgehen können. Weitere Maßnahmen werden vorbereitet und werden im Herbst greifen. Vorher muss ich allerdings in Kürze noch mit den Griechen wichtige „Verhandlungen“ führen.

©transitforum austria-tirol, Fritz Gurgiser, Obmann, e.h.

Innsbruck, 22. Juli 2002 Aktuelles / Termine