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Gerhard und Hans Kohlmaier, 1220 Wien Analyse / Presseerklärung 4/2002
Wer den Sozialstaat will, muss seine Finanzierung sichern

Das Volksbegehren für den Sozialstaat brachte einen gewissen Erfolg. Das Thema "Sozialstaat" wurde auf die innenpolitische Bühne gestellt und ein Netzwerk seiner Verteidiger wurde aufgebaut. Darin besteht der Erfolg.

Es hatte jedoch in seiner Umsetzung auch einen strategischen Mangel: Weder in seiner Formulierung noch in seiner Umsetzung hat das Volksbegehren auf den Kern des Sozialstaates, die Umverteilung, gezielt.

Aber die Geschäftsgrundlage des Sozialstaates ist die Umverteilung durch eine entsprechende Steuer- und Abgabenpolitik . Weil diese Tatsache nicht ins Zentrum des Volksbegehrens gestellt wurde, konnten die Anhänger des Neoliberalismus die Kampagne taktisch leichter ins Leere laufen lassen. Die Diskussion wurde mit der Formel "Wir sind alle für den Sozialstaat" auf kleinerer Flamme gehalten. Es gibt in Österreich keinen Politiker, der öffentlich gegen den Sozialstaat spricht.

Das Versäumnis der InitiatorInnen benutzen die neoliberalen Politiker nun zu einem strategischen Gegenschlag. Ihr Motto lautet: Der sozialste Staat ist der mit den niedrigsten Steuern und Abgaben. Finanzminister Grasser will die Steuer- und Abgabenquote bis 2010 um rund 6 Prozentpunkte auf 40 Prozent senken. Verschiedene Einsparungen sollen das ermöglichen.

Unser Thema "Sozialstaat" wird von ihm aufgegriffen und mit populistischer Argumentation einer neoliberalen Verwertung zugeführt. Allen BürgerInnen soll durch Steuersenkungen mehr Geld in der Tasche bleiben. Das kann wahr sein. Doch der populistisch erzeugte Rauch der Steuerverdrossenheit soll die Kosten dahinter verbergen. Wer zahlt die Rechnung für den plötzlich so genügsam gewordenen Finanzminister?

Der Trick in der neoliberalen Argumentation wird deutlich: Die BürgerInnen erhalten die ersparten Steuern und Abgaben bar auf die Hand. Die sozialen Aufwendungen kommen irgendwann später. Aber sie kommen sicher. Unter dem Strich erfolgt somit eine Umverteilung von unten nach oben. Von einer allgemeinen Senkung der Steuer- und Abgabenquote profitieren die Unternehmen und Wohlhabenden am meisten. Sie ersparen sich höhere Steuern und die soziale Unterstützung brauchen sie nicht. Aber ihre Abgaben und höheren Steuern fehlen dann zur Umverteilung. Die neoliberalen Politiker brauchen nicht gegen den Sozialstaat zu argumentieren, sie erreichen ihr Ziel, indem sie ihn finanziell aushungern. In ihrem "nachhaltig sanierten Sozialstaat" bezahlen sich die kleinen Leute die Sozialleistungen selbst.

Wer einen sozialen Staat haben will, muss die Umverteilung von oben nach unten ins Zentrum seiner Politik stellen. Die Steuer- und Abgabenquote muss so gestaltet werden, dass die notwendigen finanziellen Mittel für soziale und gesellschaftliche Aufgaben vorhanden sind . Angesichts eines jährlich steigenden Bruttoinlandsproduktes ist das objektiv möglich.

Das Begehren des Volkes, den Sozialstaat in der Verfassung zu verankern, ist berechtigt, aber es reicht nicht aus, ihn zu sichern. Wir müssen weiter gehen: vom Begehren des Volkes an das Parlament zur Abstimmung durch das Volk, mit der die finanziellen Grundlagen eines sozialen Staates gesichert werden.

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