Rund um die Diskussion der Zugverbindung Lienz –Innsbruck ergeben sich eine ganze Reihe von Diskussionspunkten, die die gesamte Verkehrssituation in Osttirol ansprechen. Dies ist insbesondere bei den notwendigen Anschlussmöglichkeiten, der Verkehrserschließung der Seitentäler, der Abstimmung mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, der katastrophalen Situation beim Individualverkehr (insbesondere beim Pendlerverkehr), der öffentlichen Parkraumbewirtschaftung und der gänzlich unbefriedigenden Situation beim Schwer- und Transitverkehr der Fall. All diese Faktoren in Summe ergeben isolierte und aus Sachzwängen sich ergebende Diskussionen über den Bau von Umfahrungen und den Ausbau der Durchzugsstraßen.

  1. An der Spitze unserer Forderungen steht die Erstellung eines Gesamtverkehrkonzeptes für den Bezirk Osttirol. Grundsätzlich ist zu evaluieren, wie sich die Situation derzeit darstellt und vor allem, wie sich der Verkehr die nächsten 10-20 Jahren entwickeln wird. Dabei sind die Ausbaumaßnahmen in den angrenzenden Regionen, die Bestrebungen der Nachbarländer nach hochrangigen Verkehrsverbindungen (Alemagna, E 66, Plöcken, Cavallino, usw.) und die Entwicklungen im Individual- und Berufsverkehr zu berücksichtigen. Erst nach Vorliegen dieser wichtigen Eckdaten kann über eine Gesamtverkehrslösung für den Bezirk nachgedacht werden. Damit kann vermieden werden, dass jede Gemeinde für sich plant und das Endergebnis Einzellösungen darstellen, die zwar für kleine Teile der Bevölkerung eine Entlastung bringen, die Gesamtentwicklung des Bezirkes aber völlig vernachlässigen.
  2. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme müssen die Anteile an Schwerverkehr (unterschieden nach Transitverkehr und Ziel- und Quellverkehr) und Individualverkehr (differenziert zwischen gewünschtem Einkaufs- und Tourismusverkehr und Pendlerverkehr/Durchreiseverkehr) festgestellt werden.
  3. In Anbetracht der sich darstellenden Probleme fordern wir ein Nachdenken über eine verkehrstechnische Modellregion Osttirol. Im Rahmen von EU-Fördergeldern können Projekte eingereicht werden, die grenzüberschreitend bestimmte Themen zukunftsweisend behandeln (Themenvorschlag: "Erschließung ländlicher, peripherer Gebiete in sensiblen alpinen Regionen"). In Zeiten von einer Europaregion Tirol muß es möglich sein, mit unseren Nachbarn gemeinsam Verkehrskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Die Entwicklung einer derartigen Verkehrsmodellregion würde einen enormen Investitionsschub für diese Region und zugleich einen derzeit ungenutzten touristischen Aufschwung mit sich bringen. Damit kann gleichzeitig die immer als Nachteil empfundene topographische Lage Osttirols als Stärke empfunden und genutzt werden.
  4. Herzstück eines öffentlichen Verkehrs wäre die Installierung eines Schienenbusses. Im Pustertal könnte die bestehende Infrastruktur genutzt werden, eine Neutrassierung ins Iseltal wäre angesichts des Pendleraufkommens mehr als gerechtfertigt (auch der finanzielle Aufwand ist angesichts der Investitionen in den Straßenbau mehr als vertretbar). Die Vorteile eines Schienenbusses liegen auf der Hand: Im halbstündlichen Taktverkehr könnten die Strecken bedient werden, der Zugführer ist zugleich Schaffner und Bahnbeamter, jede menge Bedarfshaltestellen könnten eingerichtet werden, auf der Strecke Oberdrauburg/Nikolsdorf/Lienz -–und Sillian/Innichen würde man mit 4 bis 6 Garnituren das Auslangen finden. Bestehende Parkplätze könnten als Park & Ride – Plätze ausgebaut werden, mit der zusätzlichen Errichtung von Bedarfshaltestellen z.B. in Heinfels, Strassen, Abfaltersbach usw. bis zum Liebherrwerk würde ein attraktives Angebot für die Einpendler, aber auch für den Einkaufsverkehr angeboten. Als Vergleich bietet sich die Stubaitalbahn oder aber auch der Schienenbusverkehr in anderen peripheren österreichischen Regionen an.
  5. Die Buslinien incl. eines Talbodenbusses im Lienzer Becken, könnten als ideale Zubringer agieren. Sie sollten sowohl auf den Takt im Nahverkehr als auch auf die überregionalen Verbindungen abgestimmt sein und zugleich für eine infrastruktuelle Erschließung der Seitentäler sorgen. Die Buslinien müssen in Abstimmung mit allen anderen öffentlichen Verkehrsmitteln geführt werden, insbesondere ist auch auf die Erschließung der Nationalparkregion Rücksicht zu nehmen.
  6. Dem öffentlichen Verkehr muss uneingeschränkt Vorrang eingeräumt werden; dafür erscheint die Einrichtung von Busspuren und eigene Ampelregelungen für Busse sinnvoll.
  7. An den frequenzschwachen Wochentagen und bei den Tagesrandzeiten kann mit kleineren Fahrzeugen das Auslangen gefunden werden. Hier bieten sich Kleinbusse, Elektrobusse und auch Elektrofahrzeuge an.
  8. Um Urlauber in Zukunft vermehrt zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzuregen, sollte auch über sinnvolle Systeme von Leihfahrzeugen nachgedacht werden: Elektromobile, Sammeltaxis, Fahrzeugpools (car sharing) sind Alternativen, die sich in anderen Regionen bereits bewährt haben (Modellregion Pongau).
  9. Attraktive Tarifgestaltungen sind für die Annahme öffentlicher Verkehrsmittel unumgänglich und können sowohl volks- als auch betriebswirtschaftlich gerechtfertigt werden.
  10. Reaktivierung und Ausbau der zum Teil verwahrlosten Bahnhöfe, Haltestellen und Umsteigeplätze zu Kundencentern , Informations- und Beratungszentren bedeuten zusätzliche Serviceleistungen, die ansonsten sowohl Einheimischen als auch Gästen nur über komplizierte und verwaltungsaufwendige Umwege angeboten werden können. Diese Kundenzentren könnten zugleich als Tourismusinformationsbüros, Postanlaufstellen, Bankomatstandorte, Info-Points (EDV-unterstützt) und gastronomisch und kaufmännisch genützt werden.
  11. Eine effiziente Parkraumbewirtschaftung in den Ballungszentren (vor allem in Lienz) erhöht die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel und vermindert die unmittelbare Belastung der Anrainerbevölkerung.
  12. Dem Schwerverkehr muß mittels restriktiver Gesetzgebung begegnet werden, um auch nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass der Transitverkehr in Osttirol nicht erwünscht ist. Dafür bieten sich insbesondere Tonnagebeschränkungen, regionale Fahrverbote und Nachtfahrverbote an.
  13. Ausbaumaßnahmen an den Durchzugsstraßen dürfen sich einzig und allein am Entlastungsargument der Bevölkerung ausrichten und niemals den Anschein erwecken, scheibchenweise neue Durchzugsstraßen zu errichten. Osttirol verfügt über ein hervorragend ausgebautes Straßenverkehrsnetz, welches sowohl den wirtschaftlichen Interessen als auch den Ansprüchen der heimischen Bevölkerung bei weitem genügt.
Heribert Pichler
Presseschau:
Gottfried Rainer in der Tiroler Tageszeitung
Günter Hatz in der Kleinen Zeitung: Idee einer Straßenbahn findet erste Mitstreiter
(Matreier Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Andreas Köll, Lienzer Vizebürgermeister Albert Semrajc)
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