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Offener Brief Schwaz, am 01.11.2004

Luftsanierungsgebiet: Versäumnisse des Landes Tirol

Herrn
Landeshauptmann DDr. Herwig van Staa
Altes Landhaus
6020 Innsbruck

Betrifft: "Luft-Sanierungsgebiet" Tirol: Auflistung von Versäumnissen des Landes Tirol

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann DDr. Herwig van Staa!

Nachdem mit Wirkung zum heutigen Tag (01.11.2004) Tirol per Verordnung des Landeshauptmanns wegen überhöhter Feinstaubbelastung ein zweites "Luft-Sanierungsgebiet" erhalten hat und nun also halb Tirol - von Kufstein bis nach Haiming - "Luft-Sanierungsgebiet" ist, darf auf einige Missstände hingewiesen werden, die in der Letztverantwortung des Landes Tirol liegen und bis heute nicht "saniert" wurden.

Vorausgeschickt sei weiters das Faktum, dass aufgrund einer Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auch Teile Osttirols wegen überhöhter Feinstaubbelastung bereits seit dem 22.07.2004 unter Schutz gestellt worden sind.

Es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass in "Luft-Sanierungsgebieten" der öffentliche Personen(nah)verkehr - ÖP(N)V - umgehend so attraktiviert wird, dass Einheimische und TouristInnen vermehrt darauf zurückgreifen können, um so einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität zu leisten. In Osttirol gibt es bekanntermaßen eine elektrifizierte Eisenbahn, deren Angebot im ÖP(N)V teilweise sehr schlecht ist. Obwohl den politisch Verantwortlichen des Landes Tirol bekannt ist, dass Teile Osttirols seit dem 22.07.2004 aufgrund erhöhter Luftbelastung unter besonderem Schutz stehen, werden keinerlei Anstalten gemacht, um den ÖP(N)V in Osttirol auf der Schiene attraktiver zu machen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn jemand aus dem "Luft-Sanierungsgebiet" Innsbruck über den Brenner in das "Luft-Sanierungsgebiet" Lienz fahren möchte, wird er bald feststellen, dass die Zugverbindung im Vergleich zu früheren Jahren so verschlechtert wurde, dass er möglicherweise gezwungen ist, mit dem Privatauto anzureisen. Einheimische und TouristInnen können also gar nicht auf den ÖP(N)V umsteigen, weil die Zugverbindungen – bis auf wenige Ausnahmen – völlig unattraktiv sind bzw. überhaupt fehlen.

Aus gegebenem Anlass sei also heute ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Land Tirol von Gesetzes wegen die Letztverantwortung für die Bestellung und Bezahlung attraktiver Fahrpläne im Nahverkehr trägt und dieser Verpflichtung derzeit sogar in so genannten Sanierungsgebieten nicht bzw. nur unzureichend nachkommt.

Nachdem in "Luft-Sanierungsgebieten" generell alles unternommen werden müsste, um Transporte kurzfristig – und nicht erst in Jahrzehnten – von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sei auf einen weiteren Missstand hingewiesen, den die politisch Verantwortlichen des Landes Tirol zu verantworten haben. Wie bekannt ist, ist das renommierte Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) in Prien am Chiemsee u.a. damit beschäftigt, den Schienengüterverkehr auf den BESTEHENDEN Bahnstrecken im ganzen Alpenraum länderübergreifend neu zu organisieren. Denn laut Herrn Karl Fischer, Geschäftsführer des LKZ, ist es falsch, wenn beim alpenquerenden Bahnverkehr zwischen Bayern und Italien nur an die Brenner-Route gedacht wird. Gemäß Herrn Fischer braucht es im Alpenraum vielmehr ein ganzes Schienenknoten-Netzwerk, das so intelligent miteinander verknüpft wird, dass es einen optimalen Gütertransport gewährleistet. Diese Neuorganisation des Schienengüterverkehrs wird von Herrn Fischer und seinem Team im Rahmen des von der EU geförderten so genannten "Alpine Freight Railway" -Projektes vorangetrieben. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und ist mit drei Millionen Euro ausgestattet. Am Projekt arbeiten Staatsministerien, Landesregierungen, Provinzen, Regionen, Handelskammern und Verbände aus Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz mit, um einen großen Teil des erwarteten Verkehrszuwachses in den Alpenländern bis zum Jahr 2005 (!) auf die Schiene zu verlagern. Damit will Herr Fischer das Ziel der Alpenkonvention erfüllen, dass im Alpenraum keine neuen Straßen gebaut werden. Wenn man sich nun die Internetseite

www.logiz-prien.de/main/alpfrail.htm

ansieht, fällt auf, dass das Land Tirol in der Liste, welche die am "Alpine Freight Railway"-Projekt Teilnehmenden aufzählt, NICHT aufscheint (interessanterweise findet man unter den Teilnehmenden u.a.: Land Kärnten, Land Salzburg, Amt der Vorarlberger Landesregierung). Die politisch Verantwortlichen des Landes Tirol scheinen also der Ansicht zu sein, dass es reicht, in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren vom Brenner-Basistunnel zu reden, während auf eine Unterstützung von konkreten, rasch umsetzbaren Verlagerungsmaßnahmen wie sie vom LKZ derzeit erarbeitet werden, verzichtet wird. Im "Luft-Sanierungsgebiet" Tirol wird also an der bisherigen politischen Maxime festgehalten: Viel reden, aber nichts konkret umsetzen.

Ich habe Herrn Karl Fischer auf den 2. Salzburger Verkehrstagen am 15.10.2004 ausführlich gesprochen und konnte dabei erfahren, dass das LKZ u.a. auch den Einsatz von lärmarmen Güterzügen vorantreiben möchte. Angesichts dieser Fakten wird es umso unverständlicher, dass die politisch Verantwortlichen des "Luft-Sanierungsgebietes" Tirol innovative Entwicklungen, die direkt an der Haustür zum "Sanierungsgebiet" im Entstehen begriffen sind, ignorieren. Aber vielleicht muss Tirol erst noch zum "Lärm-Sanierungsgebiet" ernannt werden, damit sich die politisch Verantwortlichen des "Luft- und Lärm-Sanierungsgebietes" Tirol für lärmarme Güterzüge zu interessieren beginnen.

Mit Bitte um eine ausführliche Stellungnahme verbleibe ich mit freundlichen Grüßen direkt aus dem "Luft-Sanierungsgebiet"

MMag. Martin Teißl
Sprecher von FAHRGAST Tirol
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