Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Nordtiroler SPÖ-Landesrat Gschwentner nicht gerade unglücklich darüber ist, dass das verkehrsmäßig überlastete Inntal durch den LKW-Ausweichverkehr über die mautfreie und - im Gegensatz zum Unterinntal - nicht durch ein LKW-Nachtfahrverbot beschränkte B100 "entlastet" wird.

Er verschweigt geflissentlich die dramatische Verkehrszunahme, die sich auf der B100 seit einigen Jahren abspielt: dem jüngst im Internet veröffentlichten Verkehrsbericht des Landes Tirol 2003 ist zu entnehmen, dass der LKW-Verkehr an der Zählstelle in Nikolsdorf im Zeitraum 2000-2003 - also in nur 3 Jahren - um 23 Prozent, an der Zählstelle in Arnbach im Zeitraum 1996-2003 sogar um 63,7 Prozent (Anteil von Sattel- und Lastzügen im Jahr 2003: 73,8 Prozent) zugenommen hat.

wortwörtlich aus dem Verkehrsbericht 2003:

"In Osttirol ist seit 1996 in Sillian-Arnbach auch weiterhin ein stetiger Anstieg des Lkw-Verkehrs zu beobachten (2003: 124.100 Lkw, +64 % seit 1996)".
Starker Lkw-Zuwachs 2003 in Nikolsdorf (+14,3%)
"In Osttirol ist auch in den ersten drei Monaten 2004 eine weitere Steigerung des Lkw-Verkehrs auf der B 100 Drautal Straße zu beobachten (Sillian +12,8%, Nikolsdorf +6%)".

Anrainer im Pustertal beklagen zu Recht den zunehmenden LKW-Verkehr während der Nacht, darunter immer mehr ost- und südost-europäische LKW, die dem road-pricing auf den Autobahnen sowie dem Nachtfahrverbot im Unterinntal über die mautfreie B100 ausweichen.

Es müsste auch Herrn Gschwentner bekannt sein, dass der steigende LKW-Verkehr auch im Drau- und Pustertal - und nicht nur im Inntal - mehr krebsgefährlichen und atemwegsschädigenden Feinstaub verursacht, und dass seit Beginn der Messungen im Jahr 2001 in jedem Jahr die Feinstaub-Grenzwerte an der Messstelle in Lienz überschritten worden sind. Wegen der Grenzwertüberschreitungen musste laut Immissionsschutzgesetz Luft ein Statusbericht erstellt werden, der die erschwerenden topografischen und klimatischen Bedingungen, die im Drau- und Pustertal sowie im Lienzer Becken herrschen, wie folgt beschreibt:

"Die ungünstigen Ausbreitungsbedingungen stellen einen entscheidenden Faktor für die hohe Schadstoffbelastung in Lienz dar. Von den 44 Tagen mit PM10-Tagesmittelwerten über 50 µg/m³ zwischen 7.7. und 31.12.2001 fielen 40 Tage in das Winterhalbjahr. Bei Inversionslagen reichern sich die im Lienzer Becken emittierten Schadstoffe an, wobei die nur von schmalen Tälern unterbrochenen Gebirge, die das relativ kleine Lienzer Becken umgeben, eine horizontale Verdünnung der Schadstoffe weitgehend unterbinden."

Rechtlich und gesundheitlich entscheidend ist nicht, ob an der Zählstelle im Nordtiroler Bocking mehr LKW gezählt werden, sondern ob die zum Schutz der Gesundheit im Immissionsschutzgesetz verbindlich vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden. Wie glaubt Herr Gschwentner die ab den Jahren 2005 und 2010 weiter verschärften Feinstaubgrenzwerte einhalten zu können, wenn er trotz bereits bestehender Grenzwertüberschreitungen dem zunehmenden LKW-(Ausweich-)Verkehr über das Drau- und Pustertal weiter freien Lauf lassen will ?

Es wird rechtlich zu prüfen sein, ob eine Beschwerde an die EU-Kommission wegen Nichteinhaltung der EU-Richtlinie, aufgrund derer das Immissionsschutzgesetz Luft erlassen wurde, durchführbar ist.

Mit freundlichen Grüßen
Arge Stop Transit
9900 Lienz
"In Osttirol (Anlage 11) setzte sich der Trend der letzten Jahre fort, wonach der Verkehr in Ost-West-Richtung (Lienz +5,6%, Arnbach +8,1%) stärker zunimmt als in Nord-Süd-Richtung (Felber- tauern +1,4%). Mit einem DTV von 20.600 Kfz/24 h weist die Zählstelle an der B 100 in Lienz nach der Mitte des Jahres 2003 neu eingerichteten Zählstelle an der B 171 in Thaur die zweithöchste Verkehrsbelastung in Tirol auf einer Landesstraße B 1) aus. Die Zählstelle in Lienz hat einen hohen Anteil an Lokalverkehr."
Quelle: Verkehrsbericht 2003 www.tirol.gv.at
1) mit B... bezeichnete Bundesstraßen (z.B. B100) sind jetzt Landesstraßen
Kleine Zeitung - Pustertalstraße:
"280 Lkw sind zu wenig"
Gschwentner gegen Nachtfahrverbot
'Daher kommt für den Tiroler SP-Chef als Verkehrsentlastung für die Oberländer "nur" die "Südumfahrung Sillian-Heinfels" in Frage. Gschwentner will dafür sogar widerspenstige Grundbesitzer enteignen lassen'
TT: Beim Osttirolbesuch von Landesvize Hannes Gschwentner kam zutage, dass im Bezirk eingehende Lkw- Kontrollen gar nicht möglich sind 'Keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), sondern nur "etwas Ähnliches" kann es laut Gschwentner für die Südumfahrung (Sillian) geben. Er kann sich übrigens Massenenteignungen durchaus vorstellen '