Kundgebung in Niederdorf am 29.3.2003
Manifestazione a Villabassa il 29/3/2003
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Dr. Med. Gottfried Kühebacher, PPP Kurzreferat
Zunahme der Luftschadstoffe in den hoch gelegenen Alpentälern besonders dramatisch

Die Niederdorfer sind zu beglückwünschen. Bald werden die stinkenden, lärmenden LKW’s und die Autokolonnen an ihrem Ort vorbeifahren. Das Dorf, das bisher durch eine stark belastete Straße zweigeteilt ist, kann wieder zusammenwachsen, die Lebensqualität der Bewohner wird steigen. Das ist die eine Seite.

Die Kehrseite der Medaille: Straßenausbau führt zu mehr Verkehr, zieht vor allem Schwerverkehr an. Beispiel Bahnunterführung in Vintl. Verkehrszunahme führt zu einem Anstieg von Unfällen, zu einem Anstieg der Luftverschmutzung, zu einem Anstieg von Krankheiten und Todesfällen.

E66: Großumfahrung Mühlbach
Umfahrung Mühlbach Die Zunahme der Luftschadstoffe ist in den hoch gelegenen Alpentälern besonders dramatisch. Die sogenannte Inversionswetterlage, wie sie bei uns im Winter dauernd und im Sommer in der Nacht besteht, hält die Schadstoffe im Talkessel wie in einem Kochtopf mit Deckel zurück. Die Abgaskonzentration ist durchschnittlich 3 mal höher als im Flachland bei gleicher Verkehrsdichte. Messungen, die vor 2 Monaten im Landhaus vorgestellt worden sind, zeigen: In einem Abstand von 300 m zur Autobahn ist die Luftbelastung in einer Winternacht bei gleichem Verkehrsaufkommen ca. 5 mal so groß wie im Sommer tagsüber direkt neben der Autobahn!

Zu den besonders gefährlichen Schadstoffen gehören Benzol, die Stickoxide, die Feinstäube oder PM10, die bei der Verbrennung in Benzin- und Dieselmotoren entstehen und das Ozon, das aus den Stickoxiden durch Sonneneinwirkung entsteht. Dabei ist der Ausstoß von Stickoxiden bei Dieselfahrzeugen 3x höher als bei Benzinern, der Ausstoß von Feinstäuben sogar 100 bis 1000 x höher.

Was bewirken die Schadstoffe aus den Autoabgasen in unserem Körper? Benzol ist nachgewiesenermaßen krebserregend. Viele Arten von Leukämie und von Lymphomen stehen mit Benzol in Zusammenhang.

Stickoxide wirken aggressiv auf die Lunge. Sie führen zu Husten, Atembeschwerden und blutigem Auswurf. Dauerbelastungen, wie sie an vielbefahrenen Straßen auftreten, erhöhen das Risiko an chronischer Bronchitis zu erkranken, führen zu einem Abbau von Lungengewebe, zum sogenannten Lungenemphysem.

Ozon ist ein starkes Reizgas. Es entsteht aus Stickoxiden und anderen Vorläufersubstanzen durch Sonneneinstrahlung, also besonders bei schönem Wetter, und besonders in höheren Lagen. Dieses Gas führt zu Reizung von Schleimhäuten, zu Augen- und Halsentzündungen, zu Asthma, zu einer Zunahme von allergischen Erkrankungen und zu einer Abnahme der Lungenfunktion. Die Symptome treten vor allem bei körperlicher Aktivität im Freien auf, besonders gefährdet sind Kinder.

Feinstäube sind Mischungen aus winzigen Partikeln mit einem Durchmesser von weniger als 10 µm, daher auch die Bezeichnung PM10 , Teilchen die mit der Atmung tief in die Lunge, teilweise sogar über die Lunge ins Blut gelangen. Diese Teilchen weisen eine sehr unregelmäßige gefurchte Oberfläche auf, auf der sich andere gefährliche, teilweise krebserregende Substanzen festsetzen können. In der Lunge werden Entzündungsprozesse in Gang gesetzt, die Abwehrsysteme des Körpers werden geschwächt, Krebs kann sich leichter bilden. Die Empfindlichkeit der kleinen Lungenverästelungen auf Allergene, z.B. Pollen, wird verstärkt, was zur Zunahme von Asthma führt.

In den letzten Jahren hat die WHO (Weltgesundheitsorgansition) mehrere große Untersuchungen in den Alpenländern zu den Zusammenhängen zwischen verkehrsbedingter Luftverschmutzung und Gesundheit durchführen lassen. Die Auswirkungen wurden im Jahr 2001 für Südtirol berechnet. Die Ergebnisse sind erschreckend:

In Südtirol sterben jährlich 120 bis 200 Menschen in Folge der Luftverschmutzung, das sind doppelt soviel als die tragischen Todesfälle durch Verkehrsunfälle! Jährlich sind 150 bis 250 zusätzliche Fälle von chronischer Bronchitis auf die Luftverschmutzung zurückzuführen. Jährlich gehen 800 bis 1350 Asthmaanfälle bei Kindern, und 2230 bis 3720 der Asthmaanfälle bei Erwachsenen auf das Konto der Luftverschmutzung. Krankenhausaufenthalte wegen Lungen- und Herzerkrankungen nehmen deutlich zu, ebenso die Krankenstände.

Die Zusammenschau von zahlreichen anderen Untersuchungen zeigt, dass eine langfristige Belastung mit Dieselabgasen zu einer Zunahme des Lungenkrebsrisikos um ca. 60% führt. Eine amerikanische Untersuchung zeigt, dass Kinder mit Krebserkrankungen 60% öfter an Straßen mit hoher Verkehrsdichte leben als Kinder ohne Krebserkrankungen. Dieselruß und Benzol verursachen in Deutschland 8000 mal Lungenkrebs jährlich!

PM10 sind bereits in niedrigster Konzentration gesundheitsschädigend. Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass die PM-10-Konzentrationen bis zum Jahr 2010 stark gesenkt werden müssen. Die Richtwerte gelten in der Schweiz schon seit 1998. In den letzten Monaten wurden wir über die Medien fast täglich über gefährlich hohe Feinstaubkonzentrationen in allen Landesteilen informiert. In den nächsten Monaten werden wir wieder die Ozonwarnungen zu hören bekommen.

Um die Schadstoffkonzentrationen auf ein erträgliches Maß zu senken, um ein weiteres Ansteigen zu verhindern, ist neben technischen Verbesserungen an den Motoren (Filtereinbauten) eine Reduzierung des Verkehrs auf unserer Pustertaler Straße dringend notwendig, vor allem des durchfahrenden Schwerverkehrs.
Das heißt:

Auch unser persönliches Verkehrsverhalten muss sich ändern, und zwar im Interesse der eigenen Gesundheit und im Interesse der Gesundheit und Lebensqualität unserer Mitmenschen und Nachkommen. Das heißt:

Handeln im eigenen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit heißt auch: den Mund auftun, sich wehren gegen Entwicklungen, die unserer Gesundheit und Lebensqualität über kurz oder lang schaden, heißt sich einsetzen für ein Pustertal mit weniger Dreck, Lärm, Abgasen. Das Pustertal soll den Namen des grünen Tales auch weiterhin verdienen.

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